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100 Jahre – Kunstverein KÄrnten
im KÜnstlerhaus Klagenfurt
Im Zuge der allgemeinen Begeisterung um die Jahrhundertwende für Künstlerbünde und Künstlergemeinschaften hat sich auch im „kunst-reichen“ Süden Österreichs ein „Verein für Kunst“ – ein Kunstverein – selbst ins Leben gerufen. Das Ziel bestand von Beginn an darin, das Interesse des Publikums zu wecken, das Kunstverständnis zu bilden und den Kärntner Künstlern und Künstlerinnen (zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren diese eher in der Minderzahl) eine breite Plattform für Inszenierung und Präsentation zu bieten. Um 1900 befand sich die Bildende Kunst nicht nur in Mitteleuropa in einer Art revolutionärem Aufwind der innovative Strömungen, neue Gruppierungen und Gemeinschaften, Programme und Institutionen erheblich förderte. So gründete 1907 Freiherr Ferdinand von Helldorff, erster Präsident und freischaffender Maler – ganz im diesem Sinne - den Kunstverein für Kärnten, der in Ermangelung einer eigenen Heimstätte in Wappensälen und Turnhallen unter schwierigen Bedingungen Ausstellungen organisierte. Helldorffs Kontakten zum Adel und anderen einflussreichen Persönlichkeiten und seiner Umtriebigkeit ist es zu verdanken, dass es möglich war, anlässlich des 60jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josefs, eine nicht unbeträchtliche Unterstützung für den Bau eines eigenen Ausstellungshauses - inmitten der Klagenfurter Altstadt - zu lukrieren. Aus einem in der Folge österreichweit ausgeschriebenen Architektenwettbewerb, ging der in Wien lebende Kärntner Architekt Franz Baumgartner als Gewinner hervor. Helldorff gelang es Personen des öffentlichen Lebens wie unter anderem Ludwig Wittgenstein von dem Vorhaben zu begeistern und so zählt Wittgenstein neben Vertretern des K.u.K. Hochadels zu den Stiftern des Hauses, die auf einer marmornen Gedenktafel im Foyer verewigt sind. Baumgartner, der für eine Spielart des Jugendstils den so genannten „Wörthersee-Jugendstil“ im Architekturführer von F. Achleitner „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“ gewürdigt wird, konzipierte das neue „Haus der Künstler“ als eine Mischform aus Villa und Ausstellungshaus. Das unter Denkmalschutz stehende Künstlerhaus Klagenfurt, seit damals Sitz des Kunstvereines für Kärnten (seit 2000 führt der Verein den Namen Kunstverein Kärnten, da auf Antrag an die Generalversammlung das „für“ in der Bezeichnung als Anachronismus gestrichen wurde), zählt heute noch zu den bedeutendsten Baudenkmälern in der Klagenfurter Innenstadt. Die erste Ausstellung im neuen Haus war Lokalmatadoren gewidmet, die in den meisten Fällen auch wichtige Funktionen innerhalb des Vereines ausübten und wurde von der Öffentlichkeit mit großem Interesse aufgenommen. Die Gebrüder Willroider, Gilbert von Canal und Toni Gregoritsch, sowie der Präsident selbst präsentierten sich einer breiten Öffentlichkeit. Interessant gestaltet sich jedoch von Beginn an der Blick des Kunstvereines über die Grenzen Kärntens und Österreichs hinaus. Das interessierte Kärntner Publikum bekam aufwendig gestaltete Ausstellungen mit namhaften Gästen, wie Gustav Klimt oder den Vertretern der Münchner Szene, wie beispielsweise Franz von Stuck oder Max Liebermann zu sehen – und dies in einer attraktiven Mischung kombiniert mit umfangreichen Präsentationen des hervorragenden heimischen Künstlerpotentials. Die Vertreter des Nötscher Kreises waren ebenso zu Ausstellungen geladen, wie der aus Hüttenberg stammende Maler Jean Egger oder der junge in Klagenfurt gebürtige Herbert Boeckl. Dass die Zeit für „Revolutionäres“ in der Malerei in Kärnten noch nicht ganz reif war, beweist eine Ausstellungskritik aus dem Kärntner Tagblatt von 1919 mit folgendem Inhalt: „... die Mängel an formaler Beherrschung in den Bildern von Herbert Boeckl können nicht durch staunenswerten Mut überwunden werden.“ Trotz politischer und wirtschaftlicher Wirren erlebte der Kunstverein „goldene“ 20er und 30er Jahre, indem er zu Schau stellte, was als „Kärntner Kolorit“ auch in Bundesmuseen und auf der Biennale in Venedig gezeigt wurde. Anton Kolig, Franz Wiegele, Arnold Clementschitsch und nicht zuletzt Boeckl waren anerkannte Vertreter der Kunst aus Kärnten im internationalen und nationalen Kontext. Es gilt als Verdienst der nicht ganz umumstrittenen Persönlichkeit Max Bradaczeks (des Nachfolgers Helldorffs als Präsidenten), dass der Kunstverein die bedrückend „entarteten“ Jahre des 2. Weltkrieges beinahe unbeschadet ( sieht man von einigen Versuchen sich mit den neuen herrschenden Kräften zu arrangieren ab) überstand und unter seiner Leitung wurde auch jungen aufstrebenden Kräften, die dem „ Volksgeschmack“ der Nachkriegszeit nicht gerade frönten, eine Ausstellungsmöglichkeit geboten. Die junge Maria Lassnig beispielsweise „provozierte“ schon in den 50er Jahren mit ungewöhnlichen „Ansichten“, Hans Bischhoffshausen zeigte Werke im Aufbruch der Moderne, Oskar Kokoschka und der damals noch unbekannte Josef Mikl machten Station im Klagenfurt. Als nicht unwesentlich hat sich die Bestellung von Herbert Boeckl als Kunstvereinspräsident auf die atmosphärische Stimmung innerhalb der Kärntner Kunstszene ausgewirkt, denn sein Renommeé als Künstler und Akademieprofessor hat dem Verein eine nicht unbedeutende Rolle innerhalb der österreichischen Kunsthäuser zugespielt. Unter wechselnden Vorständen war die Ausstellungstätigkeit des Vereines der 60er und 70er Jahre geprägt von einer „Lust auf Neues“ und dem Versuch die Kärntner Kunst über die Grenzen zu bringen. 1967 wurde zu diesem Zweck die grenzüberschreitende Biennale „INTART“ kreiert, die den Alpe-Adria-Raum künstlerisch beleben und bearbeiten sollte. Wie schon oft zuvor ging die Initiative vom Kunstverein aus, dem es gelungen war die heimischen künstlerischen Kräfte an das Haus binden und von ihrer Kreativität zu profitieren. Für die INART (die in modifizierter Form bis heute besteht) zeichneten vor allem Giselbert Hoke, Josef Tichy, Egon Wucherer und Siegfried Tragatschnig verantwortlich, Künstlerpersönlichkeiten, die für Jahrzehnte die Geschicke des Vereines bestimmen sollten. Neben bilateralen Bemühungen wurde - wie seit der Gründung - aus Kärnten stammendes Potential gefördert und gefordert. Präsentationen von Arnulf Rainer, Cornelius Kolig und der in Bleiburg geborenen Pop-Art Künstlerin Kiki Kogelnik oder Peter Krawagna verblüfften das Kärntner Publikum und ebneten den Weg für kommende Generationen. Auch seine Rolle als gesellschaftlichem Treffpunkt wurde der Kunstverein in den 60er Jahren gerecht, indem er mit seinen von den KünstlerInnen des Hauses organisierten „Gschnasfesten“ einen legendären gesellschaftlichen Höhepunkt des Kärntner Faschings etablierte. Die finanziell „ rosigen“ 80er Jahre waren eine Zeit des Überflusses, die öffentliche Hand unterstützte den Kunstverein mit Wohlwollen und so wurde aus dem Vollen geschöpft. Die Kärntner Kunstlandschaft war in Veränderung begriffen, zahlreiche private Galerien belebten die Szene und neu gegründete städtische Institutionen wurden eröffnet. Ein nicht mehr in Kärnten beheimatetes Klientel an Künstlern und Künstlerinnen wurde „gesucht“ und „heimgeholt.“ Meina Schellander, Alois Köchl, Wolfgang Walkensteiner, Reimo Wukounig, Valentin Oman, Caroline, Franz Moro, Ernst Gradischnig, Paul Kulnig u.v.a. agierten im Verein und nützten die Chance, ihre neuen Arbeiten zu zeigen. Gleichzeitig wurden verdienstvolle Mitglieder in Retrospektiven gefeiert. Die Zeit in der in ganz Österreich Künstlerhäuser ihre Eigenständigkeit verloren und in städtische oder staatliche Institutionen überführt wurden, hat der Kunstverein Kärnten mit einigem Glück und Geschick überstanden. Gute Kontakte zur Politik der 90er haben das Haus im Besitz der Mitglieder erhalten und der Kärntner Öffentlichkeit konnte ein abwechslungsreiches Programm zwischen Josef Beuys, Kurt Kocherscheidt und gelungen Gruppenausstellungen („Süsse Dauer Süd“, „Zentrum Paris“ oder „Romulus Express“) gezeigt werden. „Lasset uns fröhlich alte Kunsträume neu tapezieren“ hat Günther Brus anlässlich seiner Ausstellung 1994 der Presse zugerufen. In kuratierten Gruppenausstellungen wurde das Kärntner Publikum mit junger zeitgenössischer Kärntner Kunst konfrontiert und Kuratoren gewährleisteten den Blick hinaus über den eigenen Tellerrand. Mit großen Namen und Projekten feierte so der Verein große Erfolge. Nach österreichweiten oftmals drastischen Kürzungen des Kulturbudgets der öffentlichen Hand geriet der Kunstverein ab 2000 zunehmend in finanzielle Nöte. In einzelnen Ausstellungsprojekten und Aktionen (vgl. „Zeichen setzen“ und die Unterschriftenaktion „meine Haltung ist mein Kapital") verdeutlichten die Künstler und Künstlerinnen des Hauses kulturpolitische Haltung und übten Kritik an der heimischen Kulturpolitik. Und die mehr als überfällige notwendige Sanierung der Ausstellungsräumlichkeiten führte zwei Jahre später zu einem Aufruf um Unterstützung via Medien. Zahlreiche Mitglieder des Vereines beteiligten sich mit Werken an einer erfolgreich durchgeführten Auktion unter dem Titel“ Künstler für das Künstlerhaus“, die zumindest die unmittelbaren Ausstellungsräume des Hauses vor baulichem Verfall rettete. In den letzten Jahren hat der Kunstverein - neben alljährlichen für alle Mitglieder offenen Ausstellungen - verstärkt darauf gesetzt, das junge künstlerische Potential einer Generation, die aus bekannten wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in Kärnten beheimatet ist, in einzelnen Ausstellungsprojekten wieder rück zu binden. In der Reihe „coming out“ haben unter anderen der Biennalevertreter Hans Schabus, Jochen Traar, die Brüder Uwe und Heiko Bressnik, Roland Kollnitz, Alina Kynitsina und Katarina Schmidl im Künstlerhaus ihre Arbeiten präsentiert. Diese Aktivitäten sind auch in Ausstellungskatalogen dokumentiert und zeigen einen repräsentativen Querschnitt junger Kunst aus Kärnten. Parallel dazu wurden die arrivierten heimischen Künstler und Künstlerinnen in Einzelausstellungen und Retrospektiven gewürdigt, zahlreichen Gäste aus dem In- und Ausland eine Plattform geboten und in der Reihe „Crossover“ (2004-2006) ein umfangreiches Projekt des grenzüberschreitenden Kunstaustausches mit dem Nachbarland Slowenien realisiert. Heute zählt der Kunstverein Kärnten 206 Künstler und Künstlerinnen
aus drei Generationen und aus allen Bereichen der Bildenden Kunst zu
seinen ordentlichen Mitgliedern und darf sich jedes Jahr über Neuaufnahmen
und rege Nachfrage freuen. Nach eingehenden Verhandlungen mit der Politik und der Unterstützung durch die Kärntner Wirtschaft ist es dem Kunstverein heute gelungen, ein ausgewogenes abwechslungsreiches Programm zu finanzieren und zu realisieren, dass dem Auftrag des Hauses, ein „Verein für die Kärntner Kunst“ zu sein gerecht wird und trotzdem den Anschluss an aktuelle Strömungen zeitgenössischer Kunst nicht verpasst. Eine Gratwanderung, die jedes Jahr von neuem zu bewältigen ist und wahrscheinlich auch nach 100 Jahren noch eine Aufgabe darstellen wird. Ulli Sturm
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