10/5–15/6/2019
oberflächlich
Sigrid Friedmann, Ulrich Kaufmann, Claudia Larcher, Friedrich J. Tragauer,
Petra Tragauer
Vernissage Donnerstag 9/5/2019, 18:00
Performance Cornelia Scheuer, Sophie-Christine Behnke
Kuratiert von Ulrich Kaufmann und Sigrid Friedmann
Alles was endet hat eine Oberfläche.
Die Oberfläche ist der Anfang oder das Ende, die Schnittfläche
von Anfang und Anfang, von Ende und Ende, von Anfang und Ende.
Das Sichtbare. Das Berührbare. Das Verletzliche.
Jetzt gibt es nur jetzt.
Die Vergangenheit ist flächig, die Gegenwart ist spitz.
Rückblickend entstehen Oberflächen. Oberflächen des Bekannten.
Vielleicht heißt oberflächlich sein, auf nur Bekanntes zurückzugreifen, nichts offenzulegen, um nicht angreifbar zu werden, denn Oberflächen sind Angriffsflächen und Angriffsflächen bieten die Möglichkeit, angegriffen zu werden. Oberflächen sind nicht oberflächlich. Sie wirken sich aus auf, sie leiten weiter an. Von oben gesehen ist alles flach. Von der Seite schaut es schon wieder ganz anders aus.
Ein Ausstellungskonzept von
Ulrich Kaufmann und Sigrid Friedmann
Sigrid Friedmann
Wie fühlt sich Peinlichkeit an? Es ist ein Ziehen in den Gliedern, es zwickt an der Oberfläche. Die Oberfläche will sich zusammenziehen, sie will sich einziehen, umstülpen, sich verflüchtigen. Wenn Zeit vergeht entspannt sich die Oberfläche allmählich vom Verrunzelten, von Bergen, Tälern und tiefen Furchen zur Glätte. Projektionen legen sich über Oberflächen. Sie verzerren sich nach ihnen.
Der Projektionstunnel lässt sich als begehbare Metapher von innen und außen begreifen.
Sigrid Friedmann
Ulrich Kaufmann
Bitte lesen Sie diesen Text erst, nachdem sie die Arbeit gesehen haben, Sie werden sonst in Ihrer Wahrnehmung beeinflusst.
Sie müssen wissen, dass auch
ich erst nachdem wir die Arbeit
entwickelt haben versucht habe, etwas darüber zu schreiben,
das dem Ganzen eine intellektuelle Tiefe geben könnte. Erstaunlich, wie viele Erklärungen sich anbieten. Durch das Finden des Titels Objets cherchés“ entstehen plötzlich Verbindungen zur Kunstgeschichte und ich kann den Namen Duchamp nennen, was alleine schon Wirkung zeigt. Es ist immer möglich, etwas Gescheites zu schreiben, und je mehr ich mich mit dem Oberflächlichen beschäftige, desto mehr kommt mir vor, dass es das gar
nicht gibt.
Ein Rohr ist eine Fläche, die, rund um nichts gebogen, sich wieder mit sich selbst verbindet. Eine gebogene Oberfläche, die das Innen von dem Außen trennt und doch beides miteinander verbindet. Durch das Rohr kann etwas, abgetrennt von seiner Umgebung, von einem zum anderen Ort gelangen. Rohre verbinden
und Rohre trennen.
Müll ist großteils Verpackung, die dazu dient, etwas abgetrennt von etwas anderem kaufen, transportieren, konsumieren zu können.
Alles scheint zur Trennung da zu sein. Seiten in einem Heft, ein
Berg, die Haube, die sich zwischen das Kalte und das Warme legt.
Verbindend scheint nur die Auseinandersetzung mit dem Trennenden.
Oberflächlich verteilt sich der Müll auf unseren Straßen, Wiesen und Bächen. Er findet sich zusammen
mit von Bäumen fallen gelassenen Blättern, Gräsern, Pollen, Kieselsteinen. Ohrwattestäbchen verfangen sich in Mammutbaumbockerln, Kronkorken mit Baumkronen, Löwenzähne verbinden sich mit lippenstiftbeschmierten Zigarettenfiltern in schattigen Eingangsbereichen. Blütenstaub auf Stanniolpapier. Wir haben diese „Natur-Konsum-Verflechtungen“ rund um das Künstlerhaus gesucht. Sie kommen aus der Richtung, in die man durch das Rohr schaut. Interessant, wie viel Abscheu wir beim Einsammeln der künstlich hergestellten, weggeworfenen Materialien hatten, zu welch grausigen Dingen diese sonst so perfekten Gegenstände werden, wenn sie weggeworfen wurden.
Ulrich Kaufmann
Ulrich Kaufmann
Ich habe nächtelang über Nichts nachgedacht. Nichts ist mir eingefallen. Nichts ist in diesem Raum zu sehen. Nichts ist Oberfläche. Nichts ist Projektion. Nichts ist getrennt zu betrachten. Ich habe an Nichts gearbeitet und Nichts ist entstanden.
Claudia Larcher
Die Kamera frisst sich in das Nichts, sie gleitet entlang einer leeren Fläche, deren raue Körnung an minimalistische Formenspiele und Materialanalysen denken und die BetrachterInnen auf sich selbst zurückverweisen lässt. Nach einer Weile kommen neben der eingangs fokussierten weißen Wand zuerst
ein langer Gang, von dem Türen abgehen, und danach hallenartige leere Räume ins Bild.
Die Szenerie erinnert an verlassene, unterirdische Bunkeranlagen oder an industriell nutzbare Lager- oder Garagenräume, an Räume jenseits einer klar zuweisbaren Nutzung, an Nicht-Orte, deren zweckbetonte Architektur Claudia Larcher wie Monumente der Erinnerung an die Inhaltsleere ihrer vermutlich simplen ökonomisch verwertbaren Bestimmung in den Blick nimmt.
Unterstützt durch die fein strukturierte, teilweise dröhnende Soundebene von Constantin Popp baut Larcher eine Stimmung des Unheimlichen auf. Doch Larcher geht über das Abbilden der unheimlich dröhnenden Leere hinaus, sie haucht den Räumen Leben ein, isoliert einzelne Teilelemente und lässt die Wände tanzen. Die Räume und ihre Objekte, wie beispielsweise die Lichtanlage, übernehmen die Regie, bis sich die Szenerie wieder beruhigt, und schließlich ein gleißend weißer Null-Raum entsteht, eine Art idealisierter White-Cube, den Larcher mit den eingangs zu sehenden weiß überstrichenen Wandelementen zu seiner neuen – oder doch alten – Bestimmung auskleidet.
In Empty Rooms treibt Larcher
ihr in anderen Arbeiten sich abzeichnendes, eindrucksvolles Spiel mit
in Räumen gespeicherten Erinnerungen und deren Emotionen evozierende Qualitäten voran, die uns schon etwas mehr an die zuletzt immer stärker bedachte Lebendigkeit der Objekte glauben lassen und an
das nicht verdrängbare Nachwirken der Geschichte erinnern.
Sandro Droschl
Friedrich
J. Tragauer
Friedrich Joachim Tragauer arbeitet in verschiedenen Medien, insbesondere in Fotografie, Video und Objektkunst. Der Künstler setzt sich seit Jahren mit der Möglichkeit auseinander, Kunst und Technik zu verbinden. Bei seinen neuesten kinetischen Kunstwerken sind nicht nur bewegte Elemente sondern auch Licht ein maßgebender Faktor. Der Künstler setzt programmierbare Minicomputer (Arduinos) und Leistungssteuerungen
ein, die Motoren, Servos und LED’s zeitgesteuert antreiben. So kann
er Farbwechsel der LED’s und deren Intensität komponieren, um Stimmung zu erzeugen und kombiniert sie mit Bewegung.
Für die Ausstellung oberflächlich beschäftigt sich der Künstler mit der Veränderung von Oberflächen durch Licht. Friedrich J. Tragauer baute
für diese Ausstellung fünf kinetische Lichtkästen der Größe 30 x 120 cm mit je einer internen elektronischen Basisbaugruppe zur Steuerung der beweglichen Teile und des Lichts. Die Gesamtkontrolle über alle fünf kinetischen Werke, der Steuerung des Raumlichts und der Schwarzlichtstrahler übernimmt ein zentraler Minicomputer.
Alle Lichtkästen sind an der Frontscheibe mit einer halbdurchlässigen Spiegelfolie überzogen, die den Betrachter in das Objektkonzept einbezieht. Dem Besucher der Ausstellung bietet Friedrich J. Tragauer fünf Zitate als Text-Rätsel in den Leuchtkästen an, die von bekannten Persönlichkeiten zum Thema „oberflächlich“ geäußert wurden.
Petra Tragauer
Klare Formen und Flächen bestimmen die Arbeiten von Petra Tragauer. Dabei lässt sie sich gerne auf den Streifzügen durch die Kärntner Landschaft inspirieren und hält die dabei entdeckten Hell-Dunkel-Flächen mit ihrer Kamera oder dem Handy fest. Sie entnimmt Bruchstücke aus dem dreidimensionalen Raum, der Realität heraus, überführt sie in die Zweidimensionalität, schwächt Oberflächenstruktur und Farbe ab, enthebt sie ihrer ursprünglichen Bedeutung und führt sie einer neuen Wirklichkeit zu. So entstehen oft abstrakte Formen, sich auflösende Spuren der realen Welt.
Die Grundlage der Hell-Dunkel-
Flächen bilden Zeitungscollagen.
Sie formen nicht nur eine optische
Wirkung als Oberfläche. Mit den zufällig aneinander gereihten
Zeitungsartikeln konfrontiert uns
das Kunstwerk mit der Realität
und knüpft als Zeitdokument an
die Entstehung des Werkes an.
Für die Ausstellung oberflächlich setzt sich die Künstlerin mit Grenzflächen auseinander und wendet sich von vertrauten Hell-Dunkel-
Flächen ab.
Als Grenzflächen werden Flächen zwischen zwei Phasen bezeichnet. Der moderne Mensch steht auf
einer solchen Grenzfläche, dem Gleichgewicht zwischen den selbstregulierenden Prozessen der Natur und den menschlichen Aktivitäten. Der Einfluss der Menschen auf den Planeten, die Veränderungen der Umwelt und des Ökosystems scheint permanent. Der Einfluss auf die Lebensqualität der Zukunft lässt sich nicht berechnen oder vorhersagen.
Diese Unsicherheit bringt die
Künstlerin zum Ausdruck, in dem
sie bekannte, der Gewohnheit
entsprechende Oberflächen mit künstlichem Licht aufbricht und
einer anderen Gewohnheit zuführt.
Cornelia Scheuer
Sophie-Christine Behnke
Eine Performance mit Cornelia Scheuer und Sophie-Christine Behnke in einem Kostüm von
Markus Kuscher nach einer Idee
von Ulrich Kaufmann
Ich nehme mich dabei wahr, wie
ich dich wahrnehme. Es gibt aber keinen Beweis dafür, dass ich
ich bin. Nur ich weiß, dass ich ich bin und dadurch, dass sich sonst niemand für mich hält außer mir,
bin ich ich.
Ausgangspunkt
Gemeinsame Eröffnungsaktion
aller beteiligten KünstlerInnen der Ausstellung
Die Grenzen zwischen fiktionalem und realem Raum verschwimmen zusehends. Der reale Raum tritt räumlich nicht mit seinem digitalen Pendant in Verbindung. Abgefilmt, fotografiert oder gescannt macht er seinen Weg durch die Netzwerke: ist nur ein Ausschnitt, wird verändert, kopiert, weitergeleitet, gekürzt. Aber auch der reale Raum wird verändert und entspricht nicht mehr seinem digitalen Abbild. Darf der reale Raum noch verändert werden, wenn er schon digitalisiert wurde?
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