10. September bis 9. Oktober
2010
Was damals Recht war …
Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht
Vernissage am 9. September 2010, 19.30 Uhr
Wehrmachtsdeserteure waren in Österreich jahrzehntelang
kein Thema. Ihre Weigerung, in Hitlers Vernichtungsfeldzug mitzumarschieren,
blieb in der österreichischen Nachkriegsgesellschaft unbedankt
und stand außerhalb der erinnerungspolitischen Wahrnehmung. Deserteure
waren vielmehr mit Vorwürfen konfrontiert, sie hätten Kameraden
und Vaterland verraten. Die dominante Geschichtserzählung, die
einerseits Österreich als das »erste Opfer der Hitler’schen Aggression«
darstellte, andererseits jene Soldaten als Helden feierte, die
das »Dritte Reich« bis zur Kapitulation verteidigt hatten, ließ
für anders lautende Interpretationen der Vergangenheit keinen Platz.
Im Herbst 2009 wurde in Wien eine adaptierte Österreichvariante
der seit 2002 in Deutschland laufenden Wanderausstellung gezeigt.
Gleichzeitig beschloss der Nationalrat das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz,
das 70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs die Urteile gegen
Wehrmachtsdeserteure und alle anderen Opfer der NS-Militärjustiz
pauschal aufhebt. Im Künstlerhaus ist die Ausstellung erstmals
seit Inkrafttreten des Gesetzes zu sehen.
I.
Vorgeschichte der Ausstellung
Von 1. September
bis 11. Oktober 2009 war in Wien – und damit erstmals in Österreich
– die ursprünglich in Deutschland kuratierte und dort seit 2007
laufende Wanderausstellung „Was damals Recht war... Soldaten und
Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“ zu sehen. Was die Besucherzahl
betrifft, erreichte Wien mit über 6.000 BesucherInnen und 95 Führungen
in nur fünfwöchiger Laufzeit gegenüber den bisherigen 15 Ausstellungsorten
in Deutschland einen Rekord.
Für den österreichischen Standort
wurde seitens des damaligen Projektträgers Verein Personenkomitee
Gerechtigkeit für die Opfer der Militärjustiz mit den Mitteln des
Nationalfonds, Zukunftsfonds und der Stadt Wien eine Österreichfassung
der Ausstellung erarbeitet, die in sieben Teilen die Geschichte
der NS-Militärjustiz von ihren Wurzeln vor 1939 bis zum Ende des
Krieges, behandelt. Eingearbeitet wurden nicht nur vier österreichische
Fallgeschichten – drei Opfer- und eine Täterbiografie – vielmehr
wurden auch die Vorgeschichte von 1914-1938 und insbesondere die
Geschichte von 1945-2005 – der Kampf um juristische und politische
Anerkennung von österreichischen Opfern der NS-Militärjustiz umfassend
dargestellt. Ergänzt wurde die Österreichfassung ferner um zwei
Kurzfilme, die anhand von Zeitzeugeninterviews mit Richard Wadani
und Helga Emperger unterschiedliche Schicksale, Lebensrealitäten
und Perspektiven von Opfern der NS-Justiz zeigen. Mit der umfassenden
Be- und Überarbeitung liegt nun, gemäß den ursprünglichen Zielen
des Projektträgers, eine Österreichfassung der Ausstellung vor,
die auch an anderen österreichischen Standorten ohne größeren
Aufwand
gezeigt werden kann.
II.
Veränderte politische Rahmenbedingungen
seit Herbst 2009
Von Anfang an verstand sich die Ausstellung als
wichtiger Bestandteil der Bemühungen, für Deserteure und andere
Opfer der NS-Militärjustiz eine juristische und gesellschaftliche
Rehabilitierung zu erreichen. Schon im Erstantrag zur Ausstellungsrealisierung
in Österreich hieß es dazu: „In weiten Teilen
der österreichischen Bevölkerung gelten Deserteure der Wehrmacht
immer noch als Feiglinge und Verräter, wenn nicht gar als ‚Kameradenmörder’.
Um die gesellschaftliche Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz
zu fördern, ist es von zentraler Bedeutung, die Ausstellung ‚Was
damals Recht war ...‘ – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der
Wehrmacht’ der Berliner Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden
Europas, die seit Juni 2007 mit großem Erfolg in zahlreichen deutschen
Städten zu sehen ist, auch in Wien zu zeigen.“
Tatsächlich kam man mit
der Erstpräsentation der Ausstellung in Wien diesem Ziel einen
bedeutenden Schritt näher. Die Ausstellung setzte nicht nur einen
medial breit getragenen gesellschaftlichen Diskurs über Wehrmachtsdeserteure
in Gang, sondern mündete auch auf politischer Ebene in einem neuen
Gesetz, das im österreichschen Kontext als bahnbrechend bezeichnet
werden muss. Während das so genannte „Anerkennungsgesetz 2005“
zwar eine deutliche sozialrechtliche Verbesserung und Gleichstellung
für die Opfer der NS-Justiz mit sich brachte, so fehlte bis dato
eine explizit ausgesprochene Anerkennung dieser jahrzehntelang
marginalisierten und auch diskriminierten Personengruppe.
Mit dem
Anerkennungs- und Rehabilitationsgesetz 2009 wurden Delikte wie
Fahnenflucht und Kriegsverrat nun per Gesetz explizit als Akt des
Widerstandes definiert und Deserteuren und anderen Opfern der NS-Unrechtsjustiz
spricht die Republik Österreich offiziell ihre Achtung und Anerkennung
aus. Damit sind Deserteure, Wehrdienstverweigerer, Selbstverstümmler,
kärntner-slowenische PartisanInnen, Zwangssterilisierte sowie jene,
die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verurteilt wurden, nach
langen Jahren vergeblicher Bemühungen erstmals offiziell rehabilitiert.
Das Gesetz schließt damit auch die kuriose Lücke des Anerkennungsgesetzes
von 2005, das zwar Deserteuren erstmals den Zugang zu Opferrenten
gewährte, jedoch bewusst darauf verzichtete, im Gesetzestext von
Deserteuren zu sprechen.
Mit dem am 1. Jänner 2010 in Kraft getretenen
Anerkennungs- und Rehabilitationsgesetz liegen also nun gegenüber
der Erstpräsentation der Ausstellung in Wien neue politische und
gesetzliche Rahmenbedingungen vor, die als wichtiger Schritt und
Impulsgeber in Richtung breiter gesellschaftlicher Rehabilitierung
interpretiert werden müssen. Letzteres ist freilich ein länger
andauernder Prozess, der nach wie vor historischer Bewusstseins-
und Aufklärungsarbeit bedarf. Die Präsentation der Ausstellung
in anderen österreichischen Bundesländern soll dazu einen wesentlichen
Beitrag leisten und gleichzeitig zur Verankerung und Popularisierung
des neuen Anerkennungs- und Rehabilitationsgesetz beitragen.
III.
Kärnten als erster Ausstellungsstandort in den österreichischen
Bundesländern
Vorliegender Antrag bezieht sich auf eine Präsentation
der Ausstellung im Künstlerhaus mit sechswöchiger Laufzeit im Herbst
2010 (7. Oktober bis 28. November 2010). Als Projektträger firmiert
der Villacher Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte unter
der Leitung des Historikers Dr. Werner Koroschitz, der in den letzten
10 Jahren auf die Realisierung zahlreicher großer und renommierter
Ausstellungsprojekte zurückblicken kann. Bevorzugter Präsentationsort
der Ausstellung wäre das Künstlerhaus in Klagenfurt. Dass mit Kärnten
die Ausstellungspräsentation in den Bundesländern im Jahr 2010
starten soll, liegt auch daran, dass mit diversen Fallbeispielen
bereits eine inhaltliche Affinität zu Kärnten vorliegt.
IV.
Team
Projektleitung und Durchführung:
Dr. Werner Koroschitz
KonsulentInnen:
Mag. Thomas Geldmacher, Wien
Mag. Hannes Metzler, Wien
Dr. Peter
Pirker, Wien
Dr.in Lisa Rettl, Wien
Dr. Magnus Koch, Hamburg
Dr.
Uli Baumann, Berlin
Gestaltung:
Uli Vonbank-Schedler, Murau
Grafik:
Ulrike Fleschhut, Wien
Projektträger:
VIA / Verein Industriekultur
und Alltagsgeschichte, Villach in Zusammenarbeit mit dem Verein
„Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“
und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. |